June 2015 // Scharade at Galerie Idea Fixa
Text: Christiane Klotz MA, Juni 2015
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Die installativen Arbeiten des Basler Künstlerduos Admir Jahic & Comenius Roethlisberger fordern die Betrachtenden zu einer genauen Beobachtung sowie Reflektion des Kunstbetriebes heraus. Ihre Ausstellung in der Galerie Idea Fixa ist zugleich ein Experiment wie auch eine soziologische Untersuchung über die ästhetische Wahrnehmung von Kunst im Kontext ihrer Umgebung. Der Besucher verliert beim Betreten der Galerie – einem klassischen „White Cube“ – buchstäblich die Orientierung. Durch die bewusste Vermischung des öffentlichen Raumes der Galerie mit privaten Räumlichkeiten wird das vertraute Kunsterleben des Publikums auf die Probe gestellt.
„White Cube“ – ein Begriff, der auf den Kunstkritiker Brain O’Doherty zurückgeht – bezeichnet einen Galerie- oder Museumsraum, der einen geschützten Rahmen für die Kunstwerke bildet. Mit seiner Definition traf der irische Kunstkritiker in den 1970er Jahren den Nerv der Zeit: Die Künstler fragten damals nach dem Ort der Kunst in der Gesellschaft – jenseits kommerzieller Rekorde. Dass diese Frage noch brandaktuell ist, zeigen die beiden Künstler, indem sie die Grenzen zwischen dem Kunstraum, der nach O’Doherty strikten Spielregeln unterliegt, und dem Real-Raum verunklären. Jahic & Roethlisberger verwandeln den „White Cube“ in private Räumlichkeiten und lagern diesen in eine Wohnung neben der Galerie Idea Fixa aus. Die strengen Gesetze des „White Cubes“, die unter anderem einem Objekt den Status eines Kunstwerkes verleihen, sind außer Kraft gesetzt. Es ist nicht eindeutig, welches die Arbeiten der Künstler sind und welches privates Eigentum ist, was bewusst inszeniert ist und was zum Alltag gehört. Die Konsequenz daraus ist eine Durchdringung von öffentlich und privat, die für den Betrachtenden eine völlig neue ästhetische Rezeption der Kunstobjekte wie auch der alltäglichen Gegenstände generiert. Somit wird die Auseinandersetzung mit der Kunst für den Betrachtenden im wahrsten Sinne des Wortes zu einer sehr intimen Angelegenheit.
Dieser Prozess der Transformation ist eine künstlerische Strategie des Duos, die sich auch in anderen Werkgruppen nachvollziehen lässt. Die Temporary Sculptures bestehen aus banalen, alltäglichen Gegenständen und Materialien. Im ersten Moment weisen sie alle Merkmale eines klassischen „ready made“ im Sinne Marcel Duchamps auf. Doch auch hier handelt es sich um eine Versuchsanordnung mit ungewissem Ausgang, wie es für den experimentellen Charakter ihrer Kunst bezeichnend ist. Eine Honigmelone wird, eingeklemmt zwischen zwei Holzklötzen, zum Protagonisten einer Szenerie. Das Zugband, welches die fragile Konstruktion zusammenhält, wird von den Künstlern fortlaufend straffer gezogen. Hinzu kommt, dass die Frucht im Verlauf der Zeit ihr Aussehen verändert und caravaggesk zu faulen beginnt. Die Plastik bekommt etwas Unberechenbares. Schon bei einem nächsten Anziehen könnte die Frucht platzen und das Kunstobjekt in sich zusammenfallen. Dieses Ausloten der Grenzen eines Kunstwerkes sowie die dadurch immer wieder neu entstehenden Variationen liegen der allgemeinen Vorstellung des Kunstwerkes als etwas Beendetes und Ewiges diametral entgegen. Die Temporary Sculptures entziehen sich dadurch dem Kunstmarkt, aber zugleich speisen sie diesen auch, indem die Künstler den Zerfallsprozess fotografisch festhalten. Ebenfalls mittels kalkuliertem Zufall – ein Prinzip, das vielen Arbeiten des Künstlerduos zugrunde liegt – entsteht der subtile skulpturale Charakter der Werkserie Paradise Now. Auf Papier wird Polyestergussharz in leuchtenden Farben gegossen. Die Eigenart des Polyestergussharzes, sich im Aushärtungsprozess stark zusammenzuziehen, modelliert das Papier.
In den Arbeiten von Jahic & Roethlisberger liegen differenzierte Fragestellungen über die Autorschaft, Authentizität oder gar Identität eines Kunstwerkes an. Was ist und kann Kunst? Diese Fragen begleiten die Besucher auf dem Rundgang durch die Räumlichkeiten der Ausstellung von Jahic & Roethlisberger. Die Kunstwelt als eine in sich geschlossene Blase, so wie es der „White Cube“ impliziert, wird vom Künstlerduo ausgereizt, und sie machen die Betrachtenden zu einem unabdingbaren Teil dieser Scharade. Völlig auf sich und seine Erfahrung gestellt, erfährt und definiert der Betrachtende Kunst neu. Hinter dieser Scharade steht das radikale Experiment, was mit Kunst passiert, wenn sie aus dem schützenden Rahmen herausgenommen wird? Augenzwinkernd werden in dieser Ausstellung die Mechanismen von Kunstproduktion, -präsentation und -verkauf hinterfragt und zugleich für die eigene Kunst eingesetzt.